Antrag auf Modellvorhaben zur Abgabe von Cannabis in Oldenburg
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
zu den oben genannten Sitzungen stellen wir folgenden Antrag:
Modellvorhaben zur Abgabe von Cannabis in Oldenburg
1. Sollte sich das beabsichtigte Programm der Bundesregierung, federführend initiiert durch das Bundesgesundheitsministerium (SPD) und das Bundesjustizministerium (FDP), zur schrittweisen Legalisierung von Cannabis konkretisieren (siehe Eckpunkte der Bundesregierung im Anhang), setzt die Stadt Oldenburg sich dafür ein, dass ein wissenschaftlich konzipiertes Modellvorhaben zur Abgabe von Cannabis in Oldenburg durchgeführt wird.
2. Hierzu wird die Verwaltung beauftragt, die Rahmenbedingungen unter Einhaltung medizinischer, gesundheitlicher und sozialer Aspekte sowie unter Einhaltung des Jugendschutzes zu eruieren und einen entsprechenden Antrag bei der Bundesregierung zu stellen.
3. Die Träger und Einrichtungen der Drogen- und Suchthilfe in Oldenburg werden bei der Erarbeitung und Umsetzung des Modellprojektes einbezogen.
4. Die Verwaltung berichtet hierzu fortlaufend im Sozialausschuss, im Jugendhilfeausschuss und im Ausschuss für Allgemeine Angelegenheiten.
Begründung:
Die Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis geeinigt. Die zwei zentralen Ziele sind:
1. Jugendliche besser schützen, den Konsum sicherer machen sowie Justiz und Polizei entlasten. Demnach sollen Erwachsene künftig Cannabis in bestimmten Mengen privat oder in nicht gewinnorientierten Vereinigungen anbauen dürfen sowie im Rahmen eines regionalen Modellvorhabens in lizenzierten Fachgeschäften erhalten können.
2. Das Ziel soll sein, die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, den Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten bestmöglich zu gewährleisten sowie den Schwarzmarkt einzudämmen. Mit dem Zwei-Säulen Modell CARe („Club Anbau & Regional-Modell“) soll deshalb mehr Sicherheit im Konsum von Cannabis erreicht werden. Kinder und Jugendliche sollen besser geschützt und der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Ziel ist eine progressive präventionsorientierte Cannabispolitik. Die Bundesregierung hat sich mit der EU-Kommission über das Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 geeinigt. Mit der kontrollierten Abgabe an Erwachsene soll auch gleichzeitig der maximale Schutz der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden. Denn bereits heute ist Cannabis ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland illegal angeboten und konsumiert. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit, daher sollen hier neue Wege in der Cannabis-Politik gegangen werden. Hierzu ist beabsichtigt in ausgewählten Regionen über fünf Jahre ein wissenschaftlich konzipiertes Modellvorhaben durchzuführen. Dieser Antrag zielt darauf ab, in Oldenburg an dem Modellversuch zur Abgabe von Cannabis teilzunehmen und dieses in Oldenburg zu ermöglichen. Eckpunkte der Bundesregierung zu Cannabis (12. April 2023)
Das 2-Säulen-Modell im Einzelnen:
Erste Säule: Privater & gemeinschaftlicher, nicht-gewinnorientierter Eigenanbau
- Nicht-gewinnorientierte Vereinigungen dürfen unter engen, klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Die Mitglieder sollen möglichst aktiv in der Vereinigung mitwirken. Eine Mitwirkung von Mitarbeitenden der Vereinigungen beim Anbau ist zulässig, eine Beauftragung Dritter mit dem Anbau wird hingegen ausgeschlossen.
- Die Rahmenbedingungen für den Umgang werden in einem gesonderten Gesetz geregelt.
- Neben dem geernteten Genusscannabis dürfen an die Mitglieder auch von der Vereinigung erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgegeben werden. Es wird geprüft, ob und wie Saatgut und/oder Stecklinge für den privaten Eigenanbau zu Selbstkosten über die Vereinigungen bezogen werden dürfen, ohne dass die Mitgliedschaft in einer Vereinigung dafür Voraussetzung ist.
- Zulassung und Überwachung erfolgen durch Landesbehörden u.a. in Bezug auf die Einhaltung der Mengen-, Qualitäts- und Jugendschutzvorgaben und mit Stichproben und Besuchen vor Ort. Personenbezogene Daten, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Genusscannabis, Samen und Stecklingen an Mitglieder von den Vereinigungen erhoben wurden, dürfen nicht an unbefugte Dritte weitergegeben oder zu anderen Zwecken verwendet werden. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinigungen ist untersagt.
- Bußgelder, Zulassungsentzug bzw. Geld-/Freiheitsstrafen bei mehrfachen Verstößen sind möglich.
- Anbau- und Erntemengen sind auf Bedarfsdeckung ausgerichtet. Es gibt Berichts- und Dokumentationspflichten zu erzeugten und abgegebenen Mengen. Es gilt ein Verbot des Im- oder Exports von Genusscannabis.
- Mitgliedsbeiträge decken die Selbstkosten, gestaffelt nach Abgabemenge (ggf. mit Grundpauschale und zusätzlicher Betrag je abgegebenem Gramm).
- Die Anzahl der Mitglieder je Vereinigung wird auf max. 500 begrenzt mit einem Mindestalter von 18 Jahren und Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Die Anzahl der Vereinigungen kann nach Bevölkerungsdichte begrenzt werden.
- Eine Führung der Vereinigung ist nur durch natürliche Personen möglich, deren Zuverlässigkeit überprüft wurde. Die Vereinigung wird nach den Grundsätzen des Vereinsrechts geleitet. Eine persönliche Haftung des Vorstands der Vereinigung bei Vermögensschäden oder der Verletzung von behördlichen Auflagen soll nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit erfolgen.
- Die Beschaffung von Saatgut für den (Erst-)Anbau in den Vereinigungen wird ermöglicht. Die Importmöglichkeit von Saatgut aus Drittstaaten wird geprüft.
- Die Abgabe des geernteten Cannabis (Blüten) ist ausschließlich an Mitglieder erlaubt; keine Weitergabe an Dritte; max. 25g Cannabis pro Tag, max. 50g pro Monat, max. 7 Samen oder 5 Stecklinge pro Monat. Die Abgabe an Heranwachsende unter 21 Jahren ist begrenzt auf eine Menge von 30g pro Monat, zusätzlich mit einer Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts (Grenze noch zu klären). Dies sollte sich in der Sortenauswahl widerspiegeln.
- Es wird geprüft, ob und wie Samen und Stecklinge zur Qualitätssicherung zwischen Vereinigungen unentgeltlich getauscht werden können.
- Für gemeinschaftlichen Eigenanbau gelten Qualitätsvorgaben (insbesondere Verbot von Zusatzstoffen oder Beimengungen wie z.B. Tabak oder Aromen, Vorgaben zu Pflanzenschutzmitteln, keine synthetischen Cannabinoide).
- Eine Abgabe erfolgt nur in Reinform (Blüten oder Harz) in neutraler Verpackung oder lose mit beigefügten Informationen zu Produkt (Sorte, einschließlich deren üblicher durchschnittlicher THC-Gehalt und Gehalt anderer Cannabinoide wie CBD), Dosierung und Anwendung sowie zu Risiken des Konsums und Beratungsstellen.
- Konsum in den Räumlichkeiten der Vereinigung ist ebenso verboten wie der öffentliche Konsum nahe Schulen, Kitas o.ä. sowie in Fußgängerzonen bis 20 Uhr.
- Es gilt gleichzeitig ein Verbot der Ausgabe von Alkohol, Tabak oder anderen Genuss- und Rauschmitteln.
- Der Zutritt ist nur erlaubt für Erwachsene mit einer strikten Pflicht zur Alterskontrolle.
- Es gelten Auflagen zu Jugendschutz und Prävention: Von der Vereinigung zu ernennende Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte haben nachgewiesene 5 Sachkenntnisse; es gibt eine verpflichtende Kooperation mit der lokalen Suchtpräventions- bzw. -Beratungsstelle und einen Mindestabstand zu Schulen, Kitas o.ä.
- Es gilt ein allgemeines Werbeverbot für die Vereinigungen und für Cannabis. Zulässig sind sachliche Informationen.
- Mindestschutzmaßnahmen (z. B. einbruchsichere Räumlichkeiten, Umzäunung) verhindern einen Zugriff unbefugter Dritter.
- Straffreier Besitz (Mitführen in der Öffentlichkeit) ist möglich zum Eigenkonsum bis 25g; es gelten Strafvorschriften für darüber hinaus gehenden Besitz, für Handel und Abgabe an Nicht-Mitglieder sowie Kinder und Jugendliche sowie für die Abgabe von nicht in den Vereinigungen selbst angebautem Cannabis.
- Die Grenzwerte im Straßen-, Schiffs- und Luftverkehr werden unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien überprüft. Regelungen über die Zulässigkeit von Fahrten unter Einfluss von Cannabis orientieren sich dabei ausschließlich an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit.
- Der straffreie private Eigenanbau umfasst max. 3 weibliche blühende Pflanzen und ist vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche zu schützen.
- Es wird ermöglicht, Verurteilungen, die ausschließlich wegen Handlungen im Zusammenhang mit Cannabis eingetragen sind, für die das Gesetz künftig keine Strafe mehr vorsieht (Besitz bis 25g/Eigenanbau bis max. 3 weibliche blühende Pflanzen), auf Antrag aus dem Bundeszentralregister löschen zu lassen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu diesen Handlungen durch die bereits in der StPO vorgesehenen Möglichkeiten beendet.
- Der Anwendungsbereich des Bundesnichtraucherschutzgesetzes wird auf das Rauchen von Produkten in Verbindung mit Cannabis erweitert; ein darüberhinausgehender Nichtraucherschutz entsprechend der Regelungen für Tabak muss sichergestellt sein.
- Die Teilnahme an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen für Minderjährige, wenn sie Cannabis besitzen oder konsumieren, ist verbindlich.
- Nach 4 Jahren erfolgt eine Evaluation der Vorgaben zur Säule 1 mit dem Ziel der Prüfung evtl. Anpassungen hinsichtlich des Gesundheits- und Jugendschutzes sowie Zurückdrängung des Schwarzmarkts. Ergänzend sind die im Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 formulierten Maßgaben zum Jugend- und Gesundheitsschutz umzusetzen. Beabsichtigt ist, dieses Regelungsvorhaben so auszugestalten, dass keine Notifizierungspflicht ausgelöst wird.
2. Säule: Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten
- Die zweite Säule setzt im nächsten Schritt auf dem Weg zu einer bundesweiten Regelung die weiteren Ansätze aus dem Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 einschließlich einer Evaluation als wissenschaftlich konzipiertes, regional und zeitlich begrenztes Modell um: Unternehmen wird die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht. Mit dieser Säule können die Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden.
- Die Projektlaufzeit beträgt 5 Jahre ab eingerichteter Lieferkette.
- Es gilt eine räumliche Begrenzung auf Abgabestellen und erwachsene Einwohner bestimmter Kreise/ Städte in mehreren Bundesländern (Opt-in-Ansatz).
- Im Rahmen des Gesetzes wird eine Zulassung der Abgabe von Edibles unter Wahrung strenger Jugend- und Gesundheitsschutzvorschriften geprüft.
- Das Modell wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Erkenntnisse werden den Europäischen Partnern und der EU- Kommission zur Verfügung gestellt.
- Auch der Gesundheits- und Jugendschutz folgt dem Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022. Dieser Teil des Vorhabens ist voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig.
Bei der Umsetzung des 2-Säulen-Modells legt die Bundesregierung dessen völker- und EU-rechtlichen Rahmen zugrunde. Sie wird sich gegenüber den entsprechenden VN-Gremien auf die 1993 bei der Ratifizierung des UN-Abkommens aus 1988 abgegebene Interpretationserklärung berufen und eine Stellungnahme abgeben, mit der sie das Vorhaben als mit dem Zweck und den rechtlichen Vorgaben der VN-Übereinkommen vereinbar erklärt. Zudem wird es auf eine enge und transparente Abstimmung mit den Europäischen Partnern ankommen. Die Bundesressorts gehen bei allen Teilen des Vorhabens im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit unter Gesamtfederführung des BMG arbeitsteilig vor. Beide Säulen fließen ein in konkrete Gesetzentwürfe, wobei der Arbeitsentwurf zur Säule 1 im April 2023 vorgelegt wird, danach der Gesetzentwurf zur Säule 2.
Die Ergebnisse des bereits beauftragten wissenschaftlichen Gutachtens zu den Auswirkungen der Legalisierung von Genusscannabis auf den Gesundheits- und Jugendschutz in anderen Staaten werden bei beiden Säulen berücksichtigt. Parallel setzt die Bundesregierung (insbesondere über die Auslandsvertretungen) ihre Bemühungen fort, für ihre Ansätze bei den europäischen Partnern zu werben und dabei auch zu prüfen, inwieweit die Initiative einer ausreichenden Zahl von EU-Mitgliedstaaten möglich sein wird, um mittelfristig den einschlägigen EU-Rechtsrahmen zu flexibilisieren und weiterzuentwickeln.
f.d. Gruppe FDP/Volt
gez. Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP)
gez. Daniela Pfeiffer (FDP)
gez. Benno Schulz (FDP)
gez. Jens Lükermann (Volt