Rede von Jens Lükermann (Volt) zu Top Ö 9.1 in der Ratssitzung vom 26.06.2023

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ohne Zweifel ist der Mobilitätsplan eines der wichtigsten Themen der aktuellen Ratsperiode. Zahlreiche Gutachter haben zusammen mit der Projektgruppe Rahmenplan Mobilität einen umfangreichen Plan entwickelt, um den Einstieg in eine klimaschonendere Verkehrswende einzuleiten.

 

Und natürlich entwickelten sich in den letzten Monaten zahlreiche Diskussionen und auch laute Kritik an dem vorgelegten Plan. Teilweise auch berechtigt. Um nur einige Punkte aufzuzählen:

 

  • Es fehlt ein Blick auf ein innovatives Gesamtkonzept für den ÖPNV im gesamten Stadtgebiet inklusive besserer Anbindungen der Umlandgemeinden. Richtungsweisende soziale Komponenten im ÖPNV bleiben ebenso unberücksichtigt.

 

  • Eine Idee für die deutliche Attraktivierung von P&R bzw. B&R fehlt ebenfalls. Wir brauchen aber echte, komfortable Alternativen an den Stadträndern, insbesondere für auswärtige Besucher.

 

  • Die in Teilen wenigstens gefühlt fehlende Beteiligung der betroffenen Gruppen, insbesondere der Innenstadtkaufmannschaft, die sich durch die empfohlenen Maßnahmen wirtschaftlich bedroht fühlen. Diese Bedenken und Ängste sollte man nicht abtun sondern ernst nehmen, da es dabei u.a. auch um die Existenz und das Lebenswerk vieler Familien geht. Vielmehr sollte die Politik die Vorteile einer autoreduzierten und damit lebenswerteren und aufenthaltsattraktiveren Innenstadt deutlicher machen. Kleine Anmerkung am Rande: Vor 60 Jahren war die Kaufmannschaft übrigens auch nicht in Gänze davon überzeugt, dass eine Fußgängerzone zu wirtschaftlichem Erfolg führt.

 

  • Und nicht zuletzt der nach wie vor unverständliche „Move“ der Mehrheitsfraktionen, die einzige echte „Push-Maßnahme“ im Mobilitätsplan, die Parkgebühren für Besucher und Anwohner, vorab durch als Nacht- und Nebelaktionen zu bezeichnende Beschlüsse, aus dem Mobilitätsplan herauszulösen. Grüne und SPD folgten dabei nicht den Empfehlungen der Gutachter, sondern orientierten sich an den Beschlüssen des Stadtrats in Freiburg und legten dann auch noch einen drauf, um in dreieinhalb Jahren, zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt, die höchsten Parkgebühren in Deutschland zu erheben und auch den Anwohnern so tief in die Tasche zu greifen wie sonst kaum in Deutschland. Beschlüsse, die, wie sich nun herausgestellt hat, zumindest in Teilen nicht rechtssicher sind und revidiert werden müssen. Das man damit einen breiten Konsens für den Mobilitätsplan erzielt, weil die in Anführungsstrichen „bösen“ Maßnahmen schon vorab ausgeklammert wurden, erweist sich jetzt wohl, wie von mir schon damals vermutet, als Trugschluss und hat ganz im Gegenteil für auch berechtigtes Misstrauen und Argwohn gegenüber Grün/Rot gesorgt.

 

Wer sowieso nichts davon hält, den Autoverkehr möglichst zu reduzieren, den Radverkehr deutlich zu attraktivieren oder ein echtes Carsharing-Netz in Oldenburg aufzubauen, wird heute gegen den Mobilitätsplan stimmen. Und natürlich kann man ob der Kritikpunkte, die ich eben genannt habe, auch zu dem Schluss kommen, den Mobilitätsplan in der vorliegenden Form abzulehnen, zum Beispiel um ein Zeichen gegen die Ratsmehrheit zu setzen. Darüber haben wir in unserer Gruppe FDP/Volt intensiv diskutiert und sind trotz ähnlicher Kritik zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen und haben die Abstimmung freigestellt.

 

Daher spreche ich nun als Volt-Ratsherr. Im April 2021 hat der Rat - bitte beachten: einstimmig! - beschlossen, dass Oldenburg bis 2035 klimaneutral werden soll. Ein ambitioniertes Ziel, das übrigens unterfüttert wurde mit konkreten CO2-Minimierungszielen in Zweijahresschritten. Ich frage nun alle, die gleich gegen den Mobilitätsplan stimmen wollen: Wie wollen Sie diese Ziele erreichen, wenn wir nicht endlich anfangen auch in einem der entscheidenden Sektoren, dem Verkehr, die Reduzierung einzuleiten und ins Handeln kommen? Mit weiteren Gutachten, wie die CDU sie fordert? Oder, wie die Linken, mit einem eigenen Änderungsantrag, der für die Linken zur Ablehnung des gesamten Plans führt, wenn dieser abgelehnt wird? Meine Antwort darauf: So sicher nicht.

Der Mobilitätsplan ist zunächst einmal ein Plan, an dem sich Verwaltung und Politik in den nächsten Jahren orientieren und konkrete Handlungsschritte vorschlagen und möglichst zügig umsetzen sollen. Bei aller Kritik: Wir als Ratsmitglieder stehen nun in der Pflicht, den Transformationsprozess auch praktisch umzusetzen und deshalb werde ich dem Mobilitätsplan heute zustimmen. Ebenso begrüße ich den von Grün/Rot eingebrachten Änderungsantrag. Er enthält in großen Teilen wichtige und richtige Ergänzungen, insbesondere zu P&R, ÖPNV und Fußgängerverkehr und erhält deshalb auch meine Zustimmung.

Danke für die Aufmerksamkeit.